Unfruchtbarkeit und der Grund für Deine Lebensweise

In dieser Paneldiskussion auf der 8. META-Health Conference in Mumbai 2017 vergleichen Ärzte und Therapeuten ihre Erfahrungen mit dem polyzystischen Ovarialsyndrom und mit Unfruchtbarkeit:

Übersetzung

Dr Ameet Patki: Ich bin praktizierender Gynäkologe mit Spezialisierung in Unfruchtbarkeit. Viele meiner Patientinnen erfahren Stress damit, nicht schwanger zu werden. In Indien ist Unfruchtbarkeit nicht das Problem eines Paares, sondern der ganzen Familie:

Viele Patientinnen sagen mir, dass der eigentliche Schmerz nicht ist, kein Baby zu haben, sondern der, von den Verwandten auseinandergenommen zu werden! Viele dieser Paare sind sehr erfolgreich in anderen Lebensbereichen, und es ist sehr hart für ihr Selbstbild, dass sie etwas nicht erreichen, was selbst die Bettler an der Straße zu können scheinen.

Zu mir komen auch viele Patienten nach sexuellem Missbrauch oder häuslicher Gewalttätigkeit. Das findet man aber erst mit spezifischen Fragen heraus, und als Ärzte müssen wir sensibler werden. Dafür halten wir schon Workshops ab – oft sind praktische Ärzte nicht auf sowas vorbereitet und verweisen die Patientin weiter an staatliche Krankenhäuser, die vielleicht weit entfernt liegen. Das macht es schlimmer für die Betroffenen, die ja schon den Mut finden mussten, überhaupt einen Arzt damit aufzusuchen – sie fühlen sich ausgeliefert. Unsere neuen Gesetze fordern nun aber, dass jeder Doktor auf solche Fälle vorbereitet ist und weiss, was er untersuchen soll. Und die Betroffene braucht nicht mehr zur Polizei geschickt zu werden, und dass sie in dem Fall das Recht auf Betreuung durch eine weibliche Polizistin hat. Das ist sehr wichtig, dass unsere Gynäkologen ihre Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen.

Anu Mehta: Vielen Dank Dr Patki, es ist so wichtig, dass wir uns über den Ausweg bewusst sind! Können Sie noch etwas über PCOS sprechen?

Dr Ameet Patki: Dieser Begriff wurde von PCOD (D für disease=Krankheit) zu PCOS (S für Syndrom) geändert, und das ist wichtig, denn es bedeutet damit eine Prädisposition für den Zustand polyzystischer Eierstöcke. Fast die Hälfte meiner Patientinnen haben eine unregelmäßige Periode, wo zB kein Ei produziert wird. Und das hängt stark mit dem Lebensstil zusammen: junge ubergewichtige Mädchen, die sich kaum bewegen, Kinder die nicht mehr gewohnt sind draussen zu spielen, viel zu lernen und studieren, hohe Erwartungen der Eltern… all das schlägt sich auf die Seele der Mädchen, die dann sehr wenig Selbstgefühl haben, das wird zusammen wie ein negativer Strudel.
Die ganze Familie muss belehrt werden – ich sage oft:

„PCOS läuft in der Familie [= wird weitergegeben], weil in der Familie niemand läuft!“

Dafür müssen wir erreichen, dass beim Essen der Fernseher abgestellt wird, damit man mit Bewusstsein isst. Wenn die Mädchen erstmal in diesem Muster der menstruellen Unregelmäßigkeit und Unfruchtbarkeit drin sind, ist es schwerer, sie dort wieder rauszuholen. Veränderung im Lebensstil und individuelle Beratung sind die hauptsächlichen Therapieansätze für PCOS.

Frage aus dem Publikum: Ist Adipositas ein kausaler oder beitragender Faktor für polyzystische Eierstöcke?

Dr Ameet Patki: Die Voraussetzungen sind vererbt, aber Übergewicht löst den Zustand aus. Häufig haben die Mütter oder Tanten das Gleiche. Wenn sie ihr Gewicht halten, manifestiert sich PCOS nicht.

Und was ist mit Depression?

Die Medien propagieren, dass Dünnheit schön ist. Der Gruppendruck ist stark auf 16-18jährige Mädchen, so dass die ein schlechtes Selbstbild bekommen.

Anu Mehta: Aus der Sicht von META-Health gehen PCOD ja Konflikte voraus, also Verluste oder Abspaltung von der eigenen sexuellen Identität, was ja den Lebensstil beeinflusst. Jasmina, kannst Du dazu etwas mehr erzählen?

Jasmina Kovacev: die Nierensammelrohre spielen hier eine Rolle, die für Wasserrückresorption und -speicherung sorgen, also wenn wir uns wie „Fische ohne Wasser“ fühlen, alleingelassen, nicht in unserem Element. Wenn man das Nierenammelrohrsyndrom hat, geschieht es sehr leicht, dass Zysten bersten und ein größeres Areal betroffen wird. Wir sprechen hier also von mehr als einem Konflikt, und um die Entstehungsbedingungen von polyzystischen Ovarien zu kontrollieren, ist es wichtig, dahin zu kommen, dass man sich angenommen und unterstützt fühlt. Das passiert wirklich auf der Ebene unserer eigenen Vorstellungen, mehr als auf der der Umwelt.

Je mehr wir an uns selbst arbeiten und in inneren Frieden kommen, desto weniger greift dieses Syndrom.

Übergewicht muss nicht Fett an sich sein, es ist oft gespeichertes Wasser, was dann in Eierstockzysten zu Problemen führt.

Dr Ahmed Eldemellawy: ich habe in meiner Praxis in Ägypten einige Erfahrungen mit PCOS. Die Patientinnen haben, ich möchte fast sagen alle, Probleme mit ihrem Vater. Wenn ich sie frage, „wie ist Deine Beziehung zum Papa?“ sagen sie erst „ok“. Dann wiederhole ich die Frage. Sie fangen an zu weinen – das ist immer wieder so vorgekommen. Wir arbeiten also daran, die Beziehung mit dem Vater zu verbessern, oder, wie sie sich in Bezug zu ihm fühlen. In Ägypten ist es auch häufig so, dass die Mutter ihre Tochter gegen den Vater einnimmt, so dass ein Mädchen so über ihren Vater spricht, als sei er ihr Ehemann! Sie übernimmt also die Rolle einer Ehefrau, nicht einer Tochter. Bei den Eierstöcken ist das Konfliktthema ein großer Verlust.

Ich glaube, dass es für diese Mädchen ein großer Konflikt ist, die Tochterbeziehung zum Vater verloren zu haben.

Auch die Medien begünstigen diese Konflikte mit Propaganda für die „befreite“ Frauenrolle. 60-70% der betroffenen Frauen in meiner Praxis haben eine schlechte Vaterbeziehung.

Dr Ameet Patki: Das ist sehr interessant, auf den Aspekt haben wir bisher nicht geachtet! Aber ich stimme damit überein, dass die sozialen Umstände einen großen Einfluss auf den Lebenstil haben. Bei PCOS wird die Periode sehr unregelmäßig. Und was passiert ist, dass die ganzen Freundinnen so tun, als ob ihre Regel auf die Minute genau kommt. Der Gruppendruck ist enorm. Und überall wird vermittelt, dass die Haut rein und weich und wie ein Pfirsich sein soll, während bei ihnen die Akne ausbricht und sie vielleicht etwas Bartwuchs im Gesicht haben und sich wie das hässliche Entlein in der Gruppe fühlen. All das häuft sich zu einer großen Konfliktmasse auf. Die Mütter sind extrem besorgt wegen der Wichtigkeit der Heirat, in diesem Spannungsfeld sollen die Mädchen klarkommen.

Ich sage ihnen, es spielt keine Rolle, wenn die Regel nicht jeden Monat kommt. In der Wissenschaft gibt es keine festen Zahlen, sondern eine Bandbreite von Normalität zwischen 22 und 40 Tagen.

So beraten und beruhigen wir die Mädchen, die aber darauf achten sollen, dass die Regel wieder einsetzt – denn man geht ja auf Parties… und daher sollen sie sich auch fit und in Form halten.

 

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Grafik: IMMA

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